Aktueller Begriff: Rückforderung der Nofretete

Die Oberste Antikenverwaltung Ägyptens hat am 24.01.2011 ihre Forderung nach der Rückführung der Nofretete wiederholt.

Ein Informationspapier des TP 6 „Konstituierung von Cultural Property als Teil der Völkerrechtsordnung und ihrer Entwicklung“ (Völkerrecht) – Oliver Ückert, Sven Mißling & Alper Tasdelen
Die Oberste Antikenverwaltung Ägyptens hat am 24.01.2011 ihre Forderung nach der Rückführung der Nofretete wiederholt.

Geschichtlicher Hintergrund

Unter Leitung des deutschen Archäologen Prof. Ludwig Borchardt wurde die Büste der Königin Nofretete, Gattin des Pharaos Echnaton, im Jahre 1912 im ägyptischen Tell al-Amarna zusammen mit anderen Gegenständen aus dem Sand geborgen. Das Alter der Büste wurde auf ca. 3.300 Jahre geschätzt.

Im zu dieser Zeit von den Kolonialmächten Großbritannien, Frankreich und dem osmanischen Reich verwalteten Ägypten galt das Recht der „Fundteilung“, einer gleichmäßigen Aufteilung der Funde zwischen dem die Ausgrabung finanzierendem Staat und Ägypten, wobei nach einer Inspektion der Funde durch die ägyptische Altertumsverwaltung zuerst wählen durfte. ((Lena Blosat, Reiseverbot für eine Königin, in: 3 Abenteuer Archäologie 07, 12; http://www.nofretete-geht-auf-reisen.de/chronolo.htm.)) Die Inspektion und Teilung wurde auf Anordnung des französischen Generaldirektors der Altertumsverwaltung, Gaston Maspero, durch den Inspektor Gustave Lefebvre durchgeführt. Im Zuge dieser Teilung wurde die Büste dem deutschen Ausgrabungsteam und damit ihrem Finanzier Dr. James Simon zugesprochen.

Im Jahre 1913 wurde sie zusammen mit den anderen Fundstücken nach Berlin verschifft. Dr. Simon gab sie im selben Jahr als Dauerleihgabe an das Berliner Museum, wo sie im Gegensatz zu den anderen Fundstücken erst 1924 der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Im selben Jahr erfuhr auch Ägypten von dem Verbleib der Büste der Königin, was bei den zuständigen Behörden zur Verwunderung darüber führte, wie ein so gut erhaltenes Kulturgut nach Berlin gelangen konnte. Anfängliche Rückführungsforderungen und Verhandlungen über einen Austausch der Büste gegen andere bedeutende Fundstücke schlugen, hauptsächlich aufgrund deutscher Weigerung, fehl.

Aktueller Streitstand

Der gegenwärtige Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung, Zahi Hawass, präsentierte den Fall Nofretete 2005 bei einem Treffen des ‘Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to its Countries of Origin’ der UNESCO in Paris und bat um Vermittlung. Doch auch hier war Deutschland nicht bereit, über den Fall zu verhandeln, weswegen die UNESCO ihre Arbeit nicht aufnehmen konnte.

Die ägyptischen Forderungen wurden durch die 2007 vom CulturCooperation e.V. ins Leben gerufene Kampagne „Nofretete geht auf Reisen“, welche darauf abzielte, die Büste zumindest als befristete Leihgabe nach Ägypten zu schicken, unterstützt. Die Rückforderung Ägyptens besteht bis heute und erlebte mit der Neugestaltung der Museumsinsel in Berlin einen erneuten Aufschwung.

Bereits zu dieser Zeit äußerte sich Hawass dahingehend, dass Ägypten nie mehr archäologische Ausstellungen in Deutschland organisieren werde, solle die Bundesregierung der Rückforderung nicht nachkommen. ((Id., 15.))

Zurzeit befindet sich die Büste im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und wird im Ägyptischen Museum im Nordflügel des Neuen Museums auf der Museumsinsel in Berlin ausgestellt.

Der beachtlich gute Zustand der Büste, sowie die Tatsache, dass diese 11 Jahre lang geheim gehalten wurde, führten zu diversen Vermutungen und Gerüchten darüber, wie die Nofretete nach Berlin gelangen konnte. Die Aufzeichnungen Borchardts zu den Fundumständen und die Berichte der Deutschen Orient Gesellschaft (DOG) im Zusammenhang mit der damaligen Inspektion, welche Aufschlüsse und Erklärungen liefern könnten, wurden jedoch lange Zeit verschlossen gehalten. Ein Großteil der Schriftstücke Borchardts ist seit einigen Jahren in Kairo der Öffentlichkeit zugänglich. Vor Kurzem wurde zudem ein Bericht der DOG von 1924 veröffentlicht, was zum erneuten Entfachen der Diskussion führte. Derzeit ist ein Expertenteam mit der Auswertung der Dokumente betraut, welches jedoch noch keine Details der Recherchen veröffentlicht hat. Erneut richtete Hawass einen Brief mit der Forderung auf Rückführung der Büste an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die deutschen Botschaft in Kairo.

Ägyptische Position

Seit seinem Amtsantritt im Jahre 2002 betreibt Hawass eine Kampagne, welche auf die Rückführung ägyptischer Kulturgüter und insbesondere der Nofretete gerichtet ist.

Insbesondere ist er der Auffassung, weder Deutschland, noch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sei Eigentümerin der Büste, da der Eigentumserwerb während der Fundteilung unrechtmäßig war. Die Nofretete sei durch Borchardt seinerzeit mit Lehm unkenntlich gemacht worden, worin ein Betrug bei der Fundteilung zu sehen sei. ((Id., 12.)) Eine anderslautende Vermutung Hawass‘, der Kopf sei zunächst zerteilt, die einzelnen Stücke in Lehm verhüllt und erst bei der Ankunft in Berlin wieder zusammengesetzt worden, findet mittlerweile keine Erwähnung mehr. ((http://www.tagesschau.de/ausland/nofretetebueste100.html))

Dessen ungeachtet wird die Grundaussage Hawass‘ insbesondere durch zwei Untersuchungen aus jüngerer Vergangenheit bekräftigt.

In der amerikanischen Fachzeitschrift KMT äußerte der deutsche Ägyptologe Rolf Krauss Bedenken bezüglich der Echtheit eines Klappaltars, welchen Ägypten bei der Teilung der Funde anstelle der Nofretete bekam. Dadurch entstand die Vermutung, Borchardt hätte den Klappaltar mit Hilfe seiner Beziehungen zur „Schieberszene“ absichtlich anfertigen lassen, um von der gut erhaltenen Büste abzulenken. ((http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-65490010.html; http://www.bz-berlin.de/kultur/verliert-berlin-nofretete-article467367.html. Der Artikel von Rolf Krauss, Nefertiti’s Final Secret, in: 2 KMT 09, Vol. 20, 18, ist online leider nicht abrufbar.))

Auch hätte der Altar mitten im Raum, welcher noch dazu schlecht beleuchtet gewesen sei, gestanden, während die bereits verpackte Nofretete nur durch unvorteilhafte Fotos präsentiert worden sei, heißt es in dem Bericht der DOG von 1924. ((http://www.tagesschau.de/ausland/nofretete102.html)) Zudem wurde sie durch Borchardt fälschlicherweise als Gipsbüste bezeichnet, was zu einer falschen Einschätzung ihres Wertes führte.

Deutsche Position

Bisher hat Deutschland die Rückgabe der Nofretete verweigert. Die Büste sei nach der Fundteilung rechtmäßig nach Deutschland gelangt ((So zum Beispiel der deutsche Archäologe Dr. Olaf Matthes, welcher als erster Wissenschaftler Einblick in die Dokumente der Deutschen Orient-Gesellschaft erhalten hat, nachzulesen unter: http://terra-x.zdf.de/ZDFde/inhalt/0/0,1872,5580768,00.html)) und jegliche Vorwürfe, Borchardt habe absichtlich den Fund verschleiern wollen, wurden als unbegründet abgewiesen. Weder könne man aus seinen veröffentlichten Briefen und Dokumenten heraus lesen, dass er die Büste als etwas Besonderes angesehen habe und unbedingt dafür sorgen wollte, dass diese nach Berlin komme ((http://terra-x.zdf.de/ZDFde/inhalt/18/0,1872,5578098,00.html)), noch könne ihm zweifelsfrei die Fälschung des Klappaltars nachgewiesen werden ((http://www.bz-berlin.de/kultur/verliert-berlin-nofretete-article467367.html)). Dies könne ohnehin nichts an der bestehenden Rechtslage ändern. Das Protokoll der Fundteilung sei rechtmäßig und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz Eigentümerin der Büste. ((So etwa Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums in Berlin, und Außenminister Guido Westerwelle. Nachzulesen bei: http://www.tagesschau.de/ausland/nofretetebueste100.html; so aber bereits die Bundesregierung 2007 in BTDrs. 16/6502, insbesondere Antwort auf Frage 10.)) Auch die DOG ist der Ansicht, dass sich durch die kürzlich veröffentlichen Dokumente daran nichts ändern werde. ((http://www.tagesschau.de/ausland/nofretete102.html))

Aus Restaurations- und Erhaltungsgründen seien eine befristete Leihgabe und eine Ausfuhr nach Ägypten ebenfalls nicht möglich. ((http://www.welt.de/regionales/berlin/article1313825/Berlin_will_Nofretete_nicht_ausleihen.html))

Auch sei die erhobene Rückforderung nicht rechtserheblich, da eine solche von einer Regierung an eine andere Regierung zu richten sei. ((So Kulturstaatsminister Bernd Neumann in der tagesschau vom 24.01.2011, 20:00 Uhr.)) Weder sei die ägyptische Regierung an dem Rückforderungsschreiben beteiligt gewesen, noch war dieses an die deutsche Regierung gerichtet.

Mit einem Abweichen Deutschlands von seinem momentanen Standpunkt kann demnach kaum gerechnet werden.

Besteht eine Rückgabepflicht?

Aus momentaner Sicht lässt sich eine Rückgabepflicht der Nofretete auf deutscher Seite nicht annehmen. Nach aktueller Rechtslage ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz Eigentümerin der Büste.

Für (einstmals) rechtmäßig erworbenes Eigentum an Kulturgütern aus anderen Staaten kann ohnehin keine völkerrechtliche Rückgabepflicht bestehen. ((Vgl. dazu Frank Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturgutes, 100 f.; aA hingegen Beat Sitter-Liver, Wider das Recht der Stärkeren. Ethnische Überlegungen zum Umgang mit Kulturzeugen, in: Informationstag „Kulturgüter zwischen Markt und Museum“, 12, 19 ff., welcher wegen der engen Beziehung von Kulturgütern zu ihren Kulturgemeinschaften und –kreisen schon die reine Sacheigenschaft verneint und eine Aneignungsfähigkeit daher ablehnt. Dies zu diskutieren würde hier aber den Rahmen sprengen.)) Für die Nofretete trifft das, obgleich häufig diskutiert, zu. ((Fechner (Fn. 14), 101.))

Selbst wenn die Nofretete illegal nach Deutschland gelangt sein sollte, lässt sich daraus nicht automatisch eine völkerrechtliche Rückführungspflicht begründen. ((Id.))

Auch das Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut von 1970, ratifiziert im Februar 2002, sowie das dazugehörige Umsetzungsgesetz ((Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut.)) können in diesem Fall nicht herangezogen werden, da dieses Gesetz keine Rückwirkung entfaltet. Demnach ist fraglich, welcher Zweck mit der Pressemitteilung „Dr. Hawass und die ägyptische Regierung sind zuversichtlich, dass die deutschen Behörden entsprechend der UNESCO-Konvention zur Verhinderung des illegalen Exports oder Imports von kulturellem Eigentum reagieren werden.“ ((http://www.tagesschau.de/ausland/nofretetebueste100.html)) von ägyptischer Seite aktuell verfolgt werden soll.

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